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Negativzinsen OGH Entscheidung Stand Juli 2020

Rechtskräftiges Urteil – Negativzinsen

Nicht nur private Kreditnehmer, auch Städte und Gemeinden haben womöglich Anspruch auf Rückzahlung zu viel bezahlter Zinsen, die sich in Folge eines negativen Referenzzinssatzes ergeben. Die einseitige Festsetzung der Kreditmarge durch die Bank als Mindestzinssatz sei unzulässig. Dies entschied das Landesgericht Steyr in einem Musterprozess des Städtebundes. Das Urteil ist rechtskräftig.

Auszug aus einer Information des Städtebundes vom 14. Mai 2019:

„Nachdem der Teil des Urteils (Landesgericht Steyr), der zu viel bezahlte Zinsen zuspricht, eindeutig ausgefallen ist und nun auch in Rechtskraft erwachsen ist, kann Nichteinforderung zu viel bezahlter Zinsen, von Wechselkursverlusten und Verzugszinsen durch Gemeinden und deren Organe bzw. deren Untätigkeit gegebenenfalls zu Untreuetatbeständen und Haftungen für diese führen.

Eine Klagsführung bei Weigerung der Bank ist − vorbehaltlich Prüfung des jeweiligen Einzelfalls − mittlerweile mit einem geringeren Prozessrisiko behaftet.“

Negativzinsen

Jüngst erging ein (allerdings nicht rechtskräftiges) Urteil des Handelsgerichts Wien. Aus diesem Urteil ist Folgendes auch für Gemeinden Wesentliches zu entnehmen:

*) Einseitig vereinbarte Zinsuntergrenzen (Anlassfall: 2,75%ige Untergrenze und keine Obergrenze) auch bei Unternehmerkrediten sind als gröblich benachteiligend zu qualifizieren und somit nichtig. Negativzinsen stehen daher der Gemeinde zu.
*) In Konsequenz stehe dem Kreditnehmer ein Ansprüch auf Rückerstattung der zu viel bezahlten Zinsen (zumindest für die letzten 3 Jahre) zu.
*) Eine Zinsanpassungsklausel ist auch bei Unternehmerkreditverträgen (und damit wohl auch bei Gemeinden) stets auf ihre Zweiseitigkeit zu überprüfen und immer so zu gestalten, “dass sie nicht nur eine Erhöhung, sondern auch eine Senkung des ursprünglich vereinbarten Zinssatzes ermöglicht”.
*) Für den Einzug einer einseitigen Zinsuntergrenze ausschließlich zu Gunsten der Bank, ohne gleichzeitig auch eine Obergrenze zu vereinbaren, gibt es nach Ansicht des Handelsgerichts keine sachliche Rechtfertigung.

Im Zuge des Verfahrens kam zudem hervor, dass in weitaus mehr Unternehmerkrediten Zinsuntergrenzen eingefügt wurden als ursprünglich angenommen. Nahezu alle in Österreich tätigen Kreditinstitute sowie auch Leasinggesellschaften haben sich solcher gröblich benachteiligender Klauseln bedient.

Wir empfehlen daher,

*) Ihre Verträge nach Negativzinsen und Zinsgleitklauseln durchzusehen,
*) Verjährungsverzichtserklärungen einzuholen und
*) im Gemeinderat zu diskutieren und abzuwägen, ob es sich im Einzelfall (aufgrund der Höhe) wirklich auszahlt, gegenüber der Bank Forderungen auf Zinsrückzahlung zu stellen und gerichtlich geltend zu machen. Diese Diskussion im Gemeinderat muss genau dokumentiert werden, um einem etwaigen Vorwurf der Untreue entgegentreten zu können.

Um der Verjährungsfrist allfälliger Rückforderungsansprüche an zu viel bezahlten Zinsen vorzubeugen, empfehlen wir jedenfalls, mit der Bank oder der Leasinggesellschaft einen Verjährungsverzicht zu vereinbaren, da – bis die Rechtsfrage endgültig vom Obersten Gerichtshof geklärt wird – die Gefahr besteht, dass die Rückforderungsansprüche gegenüber der Bank oder dem Leasingunternehmen bereits verjährt sind.

Pflicht der Bank zur Anrechnung von Negativzinsen und unzulässige „Floorklausel“ bei variablen Krediten

Banken behaupten nach wie vor, die Judikatur zu „Negativzinsen“ würde bei Darlehen von Gemeinden und Unternehmern nicht gelten, sondern nur bei „Verbraucherverträgen“. Dabei hat der OGH bereits im Jahr 2016 eine „Floorklausel“ in einem Vertrag einer Gemeinde mit einem Finanzinstitut für unwirksam erklärt, weil damit dem Gebot der „Zweiseitigkeit“ von Zinsanpassungsklauseln widersprochen wird. Laut OGH gilt das Prinzip der Zweiseitigkeit auch bei Unternehmerkreditverträgen. Das HG Wien hat sich dieser Meinung erst jüngst in einem geführten Musterverfahren angeschlossen und auf die bestehende OGH-Judikatur verwiesen. Auch ein für die Gruppenintervention in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten der Johannes Kepler Universität Linz bestätigt, dass die einschlägige Judikatur auch bei Kreditverträgen von Gemeinden und Unternehmern einschränkungslos anzuwenden ist.

Im Eindruck dieser Rechtslage haben einige Banken bereits eingelenkt, den Gemeinden und Unternehmern die Zinsüberzahlungen der Vergangenheit rückerstattet und rechnen bei den neuen Zinsterminen die „Negativzinsen“ auf die Aufschläge bereits an. Insgesamt ist die Rechtslage und Judikatur zum Thema „Negativzinsen“ überaus positiv für Gemeinden und Unternehmen. Werden diese allerdings nicht tätig, gehen die Ansprüche unwiederbringlich wegen Verjährung verloren.

Verpflichtung der Bank zur Senkung der Aufschläge bei Krediten

Bekanntlich haben die österreichischen Banken als Antwort auf die sinkenden Zinsen bei variablen Krediten seit 2009 häufig die Aufschläge erheblich erhöht. Im Ergebnis konnten dadurch die Gemeinden und Unternehmer nicht vollständig von der allgemeinen Zinssenkung profitieren. Teilweise haben die Banken auch „Sonderzuschläge“ eingeführt oder überhaupt einen „Mindestaufschlag“. Begründet wurden die einseitigen Maßnahmen von den Banken regelmäßig mit “gestiegenen Kosten” oder “Veränderungen auf den Kapitalmärkten”. Zurückgenommen wurden die Erhöhungen nicht oder nur in verhältnismäßig geringem Ausmaß.

Aus rechtlicher Sicht gilt, dass die Bank beim Aufschlag auf variable Kredite prinzipiell einen Änderungsvorbehalt (Anpassungsklausel) vereinbaren kann. Die Bank darf das Änderungsrecht aber laut OGH nur nach „billigem Ermessen“ ausüben. Das bedeutet, dass die Anpassungen in beide Richtungen vorgenommen werden müssen (zweiseitige Wirkung), also auch Senkungen an den Kunden weiterzugeben sind. Aus der Sicht des OGH ist es zulässig, mittels Anpassungsrecht die ursprüngliche Leistungsäquivalenz aufrechtzuerhalten. Spielte also die Bonität für die Kreditkalkulation eine Rolle (was regelmäßig der Fall ist), dann kann eine Verschlechterung der Bonität des Kunden eine spätere Erhöhung des Aufschlages rechtfertigen. Bessert sich die Bonität des Kunden allerdings (z.B. wegen guter Konjunktur), dann muss der Aufschlag zugunsten des Kunden auch wieder gesenkt werden.

Veränderungen in der eigenen Sphäre der Bank, also Umstände, die die Bank selbst beeinflussen kann (wie deren eigene Bonität!), dürfen laut OGH nicht als Grundlage für die Erhöhung des Aufschlags herangezogen werden. Wenn die Bank also auf eigene gestiegene Kosten verweist, das Marktumfeld sich aber nicht wirklich verändert hat, dann war die Erhöhung unzulässig und hat die Bank die Senkung vorzunehmen und die Überzahlungen des Kunden herauszugeben.

Die Probe aufs Exempel lässt sich in der Praxis leicht im Vergleich mit jenen Konditionen machen, die Banken derzeit bei neuen variablen Krediten an den Kunden vergeben. Liegen etwa bei einer neuen Kreditausschreibung die angebotenen Aufschläge unter jenen Aufschlägen, die bei alten variablen Finanzierungen aktuell verrechnet werden, wird die Bank zur Senkung der Aufschläge auch bei den alten variablen Finanzierungen verpflichtet sein. Erfahrungsgemäß besteht nämlich kein Unterschied in der Kostenstruktur.

In einem von uns betreuten Fall hatte eine Gemeinde 2006 ursprünglich einen Aufschlag von 0,5% auf den 3-Monats-Euribor vereinbart. Der Aufschlag wurde von der Bank 2013 dann auf 0,9% erhöht und danach nicht mehr gesenkt. Bei aktuellen Ausschreibungen erhält die Gemeinde aber Angebote in der Bandbreite von 0,55% bis 0,65%. Die Gemeinde hatte also auch einen Anspruch auf Senkung beim alten Kredit. Über unsere Intervention wurde dann die Regelung getroffen, dass die Gemeinde zwar für die Vergangenheit keine volle Erstattung erhält, die Bank aber zukünftig nur 0,6% Aufschlag verrechnet und auch garantiert, den Aufschlag für 10 Jahre nicht über dieses Niveau von 0,6% anzuheben. Für die Gemeinde ergibt sich daraus ein enormer Vorteil, auch die Bank konnte mit der Regelung leben. Bei Verträgen von Unternehmern (und auch Verbrauchern) gelten dieselben Grundsätze.

Für den Kunden teure „Zinssicherungsswaps“ sind laut OGH ungültig, soweit die Bank den Interessenskonflikt nicht aufgeklärt hat

In den vergangenen Jahren haben Banken Gemeinden und Unternehmern häufig „Zinssicherungsgeschäfte“ empfohlen, um die Finanzierungsstruktur des Kunden (vermeintlich) zu verbessern. Dabei wird/wurde zusätzlich zu einem variabel verzinsten Kreditvertrag (im Regelfall 3-Monats-EURIBOR plus Aufschlag) ein sog. Zinsswap-Vertrag mit der Bank geschlossen.

Häufig war diese Empfehlung in Wahrheit nachteilig für den Kunden, diente sie doch vorrangig den eigenen Interessen der Bank, um deren Refinanzierung zu vergünstigen. Zinsswap-Verträge bieten der Bank eine erhebliche zusätzliche Verdienstmöglichkeit. Durch die spezielle Gestaltung der Verträge sind die Banken in der Lage, die Kundenpositionen aus dem Swap am Markt weiterzuverkaufen und davon zu profitieren, das Geschäft nicht ausgewogen ausgestaltet zu haben. Die Frage der Gültigkeit derartiger Swap-Geschäfte war in den letzten Jahren vielfach Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen, wir haben zahlreiche Gemeinden und Unternehmer gegen Banken vertreten.

Nunmehr hat der OGH in einer vielbeachteten Grundsatzentscheidung (3 Ob 191/17k) ausgesprochen, dass die Bank auch bei reinen Zinssicherungsgeschäften verpflichtet ist, den Kunden über Interessenskonflikte aufzuklären. Diese Pflicht ergibt sich laut OGH direkt aus dem Gesetz. Einerseits muss die Bank den Kunden nämlich bestmöglich beraten, gleichzeitig verfolgt sie mit den Swap-Geschäften aber ein Gewinnerzielungsinteresse. Damit der Kunde in der Lage ist, den Rat der Bank wirklich beurteilen zu können, ist die Bank verpflichtet, über den sog. „negativen Anfangswert“ eines solchen Swap-Geschäfts aufzuklären. Die Aufklärungspflicht der Bank gilt also auch bei Derivatgeschäften, die prinzipiell der Absicherung dienen.

Aufgrund der seit 2009 erheblich gefallenen Zinsen sind viele dieser Geschäfte zu einer hohen, teilweise auch existenzgefährdenden Belastung für die Kreditnehmer geworden. Durch die neue OGH-Entscheidung ist die Möglichkeit der Anfechtung und auf Schadenersatz bestätigt. Der Kunde kann also die Rückabwicklung des Geschäfts rechtlich durchsetzen.

Wurde zusammengefasst also der Kunde bei einem derartigen Zinssicherungsgeschäft, mit dem der Zinssatz auf beispielsweise „3,5% plus Aufschlag“ eingefroren wurde, nicht über den „negativen Anfangswert“ aufgeklärt, kann sich ein Anspruch auf vollständige Rückabwicklung des Geschäfts ergeben. Die Bank hat daher alle erhaltenen Zahlungen des Kunden (sog. „Ausgleichszahlungen“) rückzuerstatten und dürfte auch zukünftig keine Zahlungen mehr aus dem Swap verrechnen.

In der Praxis können sich daraus bei größeren Finanzierungen Ansprüche im Ausmaß von mehreren Millionen EUR ergeben. Von uns wurden bereits hunderte Fälle einschlägiger Derivatgeschäfte analysiert und die Rechte der Kunden durchgesetzt. In praktisch jedem untersuchten Fall hat sich ein negativer Anfangswert anhand historischer Daten unter Beiziehung von Fachleuten nachweisen lassen. Die erste Prüfung lässt sich für uns mit überschaubarem Aufwand bewerkstelligen, sodass wir relativ rasch eine erste Einschätzung zu den Ansprüchen abgeben können.